Der Countdown läuft: Bald geht's nach Hause
Mein Blick gleitet über die Zahl auf meinem Kalender. Wo gestern noch eine
30 stand, steht heute die 2. und wo doch vor kurzem noch der 01.September
stand, lese ich plötzlich Juli. Ich schreibe es meiner Mama, als müsste ich
sie, und vielleicht insgeheim auch mich daran erinnern, dass ich in 28 Tagen
wieder zuhause bin. ".. in 27 Tagen bin ich wieder Zuhause." Und
während ich die Worte schreibe, spüre ich ein heftiges ziehen in meiner linken
Brust. Was meldet sich da? Angst, Sehnsucht, Abschied, Vorfreude? Wie wird es
sein nach so vielen Monaten PDF zu verlassen, und zu wissen: es wird nie mehr
so wie jetzt sein, das hier war unsere Geschichte, und das Kapitel schließt
sich in wenigen Wochen?
Ich spüre die letzten Wochen einen immer größeren Frieden, wenn ich daran
denke, nach Hause zu gehen. Der Abschied wird mir mein Herz brechen, es wird
nicht einfach werden, Rumänien hinter sich zu lassen und die tiefen
Freundschaften, die hier entstanden sind, nun nicht mehr so fortführen zu
können. Abschiede und Veränderungen fallen mir eh schwer, ich weigere mich
eigentlich innerlich, denn gab es da nicht schon zu viele Verabschiedungen und
Veränderungen in meinem Leben?
Was kann mir also helfen, wie kann ich das alles glücklich und dankbar in
wenigen Wochen hinter mir lassen? Ich möchte versuchen, mich bei allem
was ich denke, an die Wahrheit zu halten. Und diese Wahrheit ist Jesus. Genau
das ist es auch, was ich in all den Monaten hier gelernt habe: Die Wahrheit ist
in Form grenzenloser Liebe zu uns auf die Erde gekommen, und Jesus lebt unter
uns und ist noch genauso lebendig wie vor 2000 Jahren.
Es ist faszinierend, wie jeder von uns 40 jungen Menschen ein ganz anderes
Jahr im Ausland erlebte, und wie Gott für jeden das Richtige aussuchte. Ich
habe hier in Rumänien etwas komplett anderes erlebt, wie jemand anderes zur
gleichen Zeit in Afrika, oder Kambodscha, oder Nicaragua. Aber ich bereue es
keine Sekunde mehr, NUR hier gelandet zu sein. Ich bereue es keine Sekunde, nur
geputzt und gekocht zu haben. Ich bereue es keine Sekunde, nur in Europa
gewesen zu sein. Es war genau das, was ich gebraucht habe und zu was Gott mich,
uns, gebrauchen wollte.
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das
Leben." - Jesus
Wenn Jesus die Wahrheit ist, dann haben die Lügen in meinem Kopf keinen
Stellenwert. Wenn er die Wahrheit ist und mich zur Freiheit beruft, dann kann
ich, egal wo ich bin, egal in welchem Land, erfüllt sein, ganz unabhängig von
meinen Umständen und Mitmenschen. Und weil er die Wahrheit ist, ist es mein
Gebet, alles was kommt, aus seiner Hand anzunehmen, das Ende hier, und der
Anfang in Deutschland.
Ich überlege mir immer einmal wieder, was ich euch zuhause antworte, wenn
ihr mich fragt: Na wie war es, dein Jahr im Ausland? Was antwortet man auf so
eine Frage? Wie soll ich dir 11 Monate in ein paar kurzen Sätzen packen?
Würdest du es verstehen, wenn ich dir von den Bergen, und den Bären, und den
Feldern, den chaotischen Kreisverkehren, den Kutschen und der Küchenarbeit
erzählen würde? Kannst du mich verstehen, wenn ich dir sage, dass ein Teil
meines Herzens nun immer hier sein wird, und ich nun Freunde auf der ganzen
Welt habe? Ist es für dich in Ordnung, wenn ich dir sage, dass ich gar nicht so
genau weiß, wie ich mich fühle, wieder in Deutschland zu sein, denn ich bin ein
Jahr lang in Rumänien aufgewacht.
Und wenn ich darüber nachdenke, merke ich, dass ich es nicht können werde,
dir versuchen zu beschreiben, wie es war.
Alles was ich tun kann, ist dir im alltäglichen Leben zu zeigen, was dieses
Jahr mit mir gemacht habe. Und es war nicht ich, die das geschafft hat, sondern
es war Gott, in Form des Heiligen Geistes, der mir all die Kraft und Liebe
geschenkt habe, die ich für dieses Jahr gebraucht habe. Und es ist Jesus, der
mich wieder nach Hause bringen wird.
Ich freue mich darauf, euch zuhause wieder zu sehen, euch umarmen zu
dürfen, und zu erzählen: Ich habe erlebt, was wahre Freundschaft bedeutet, wie
ich selbst sterben muss, um leben zu können, was wahre Liebe wirklich bedeutet,
und gut Gott ist. Gnade über Gnade, haben wir von ihm erhalten, und dann
erzähle ich dir vielleicht, wie ich geweint habe, als ich arme Menschen gesehen
habe, wie ich bei der Arbeit in der Küche und im Haus geschwitzt und geflucht
habe, und wie ich ein anderes Mal Frieden in meinem Herzen empfunden habe,
singend neben den Bergen Wäsche aufzuhängen. Und wie über all dem, ein riesiger
Gott steht, der das alles überblickt, und wie froh ich bin, dass nicht ich es
überblicken muss.
Ich möchte auch zurück Zuhause einen Abend von meinen Erfahrungen hier in
Rumänien berichten, und euch von Gottes Wirken hier in Rumänien berichten. Wenn
es soweit ist, und ich einen Termin dazu finde und bereit dazu bin, seid ihr
herzlich eingeladen und ich lasse es euch wissen.
Morgen erhalten wir noch einmal Besuch von Michas Papa, und von Rosa, die
morgen ihren Einsatz in Spanien beendet wird. Ich freue mich sehr darauf, sie
endlich wieder in die Arme schließen zu können, und mit ihr zusammen zu arbeiten
können. Wenn sie nach den zehn Tagen, die sie hier verbringen wird, wieder
gehen wird, ist es nicht mehr lange, und dann sitzen wir im Flugzeug.
Ich weiß nicht, wie es sich anfühlen wird, wieder durch die Orte in
Deutschland vom Flughafen nach Hause zu fahren und nach einem knappen Jahr
wieder das Ortschild zu sehen und die eigene Wohnung zu betreten. Zum Glück
darf ich aber einige andere Dinge wissen:
Gott ist gut, und alles was von ihm kommt, ist gut.
Ich darf ab September wieder als Erzieherin in einem Kindergarten arbeiten.
Es hat tatsächlich geklappt, dass ich ohne große Pause nach den
Sommerferien in einem ganz tollen Kindergarten meinem geliebten Beruf wieder
nachgehen darf. Gott hat geschenkt, dass ich trotz der Entfernung und
erschwerten Kommunikation eine unbefristete 100% Stelle bekommen habe.
Ich durfte mich in diesem Jahr so sehr verändern, lernen und wachsen, und
das in einer Geschwindigkeit, die echt schwer zu verarbeiten ist.
Ich habe Freunde fürs Leben gefunden.
Ich freue mich auf euch,
und ich bin glücklich und dankbar, hier noch ein paar Wochen verbringen zu
dürfen,
eure Sheila
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